Wenn es morgen keine Werkstätten für behinderte Menschen mehr gäbe, fielen für einen Großteil der dort beschäftigten Menschen wertvolle soziale Kontakte und Lebensinhalte weg. Dennoch kursieren immer mehr Vorbehalte über die Werkstattarbeit. Eine Kampagne soll zu einem objektiven Bild verhelfen.
Im Zentrum der aufklärenden Kampagne steht die Homepage Werkstatt ist mehr. Auf ihr kommen Experten aus dem Verbandwesen, der Politik und der Wirtschaft zu Wort. Sie beantwortet häufig gestellte Fragen rund um die Arbeit in Werkstätten für behinderte Menschen.
„Werkstätten leisten pädagogische, therapeutische und pflegerische Unterstützung, um Menschen mit Behinderungen ganzheitlich in die Gesellschaft einzugliedern. Behinderte Menschen erhalten berufliche Bildung, können soziale Beziehungen pflegen, erleben Unterstützung und Wertschätzung", erklärt Martin Berg, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten. "Und das auf einem sicheren und unkündbaren Arbeitsplatz."
Diverse Arbeitsangebote und berufliche Bildung
Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gäbe es für die meisten von ihnen keinen gleichwertigen Platz, so Berg. Deshalb seien Werkstätten weiterhin notwendig. Im Übrigen sei es natürlich jedem Menschen selbst überlassen, ob er in einer Werkstatt arbeiten möchte: "Es gibt in Deutschland keine Pflicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu arbeiten. Es ist ein Angebot."
In den Werkstätten steht der Mensch im Fokus und weniger seine Arbeitsleistung. Beschäftigte können aus diversen Arbeitsangeboten die für sie passende Wahl treffen und sich ausprobieren. Über den Berufsbildungsbereich können sie unterschiedliche Qualifizierungen erlangen. Begleitende Angebote während der Arbeitszeit dienen der Persönlichkeitsentwicklung, der Gesundheitsförderung und der sozialen Eingliederung. Sie umfassen zum Beispiel Angebote aus Sport, Kultur und Kommunikation.
Bundesarbeitsgemeinschaft setzt sich für Reformen ein
Bei allen Vorteilen, die anerkannte Werkstätten haben, sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft vor allem an einer zentralen Stelle Reformbedarf: beim Arbeitsentgelt. Werkstattbeschäftigte sind nicht direkt mit Arbeitnehmern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vergleichbar. Über Privilegien wie Grundsicherung und Rente haben sie aber deutlich mehr Geld zur Verfügung als häufig in Diskussionen dargestellt.
Das sogenannte "Werkstättenprivileg" sichert den Beschäftigten bereits nach zwanzig Jahren eine Erwerbsminderungsrente auf dem Niveau eines Durchschnittsverdieners. Die Werkstätten führen Rentenversicherungsbeiträge in Höhe des bundesweiten Durchschnittslohnes ab, das ergibt 0,8 Rentenpunkte im Jahr. Bei einem Mindeslohnempfänger sind es etwa 0,45 Rentenpunkte im Jahr.
Impulse für eine Reform des Entgeltsystems
Dennoch sei die Abhängigkeit von Sozialleistungen keine gute Lebensgrundlage. „Wir wollen die menschenrechtliche Dimension für die Menschen mit Behinderungen langfristig verbessern“, erklärt Martin Berg. „Dafür arbeiten mehrere verbandsinterne Arbeitsgruppen daran, die Parameter des Einkommens- und Entgeltsystems zu prüfen. Aus diesen Prozessen heraus wollen wir Impulse für eine Reform des Systems entwickeln."
Die Bundesarbeitsgemeinschaft setzt sich für eine Reform des Entgeltsystems ein, bei der gewissenhaft und umsichtig gehandelt und ein auskömmliches und nachhaltiges Entgeltsystem etabliert wird. Dabei muss das sehr komplexe Sozialsystem in seiner Gesamtheit betrachtet werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Menschen in Werkstätten unter dem Strich schlechter gestellt werden - zum Beispiel mit der Einführung des Mindestlohns.
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